17. Dezember 2019
In Deutschland werden nach Einschätzung des Rechtsmediziners Wolfgang Huckenbeck pro Jahr mindestens zehn Scheintote beerdigt. „Die Ärzte achten bei der Leichenschau häufig nicht mehr auf die sicheren Todeszeichen“, kritisierte Huckenbeck. Zu den so genannten sicheren Todeszeichen gehören Totenflecken, Starre und Fäulnis. Diese treten ungefähr zwei Stunden nach dem Tod ein. Statt auf diese Indizien zu warten, sei es üblich, die Toten nach dem Motto „ex und hopp“ sofort aus dem Haus zu schaffen, bemängelte der Rechtsmediziner. Erfrieren in der Kühlkammer „Für die Ärzte ist der Scheintod deswegen so schwer zu erkennen, weil kein Puls und Atem mehr festgestellt werden kann“, erläuterte Huckenbeck. Der Herzschlag sei selbst mit dem Stethoskop kaum zu hören, obwohl immer noch Herzströme flössen. Aus diesem Grund forderte Huckenbeck jeden Arzt auf, die vermeintlichen Toten mit einem EKG-Gerät auf diese Lebenszeichen zu testen: „Denn sonst kann ein Scheintoter in die Kühlkammer kommen und da erfrieren.“ Dass dies nicht nur ein reines Gedankenspiel ist, zeigte jüngst ein Vorfall in einem Seniorenheim in Mettmann bei Düsseldorf. Eine 72-Jährige wurde von einem Mediziner für tot erklärt, obwohl sie noch lebte. Erst als die Seniorin in den Sarg gehoben werden sollte, merkte ein erfahrener Bestatter, dass die Frau noch lebte. Ein Notarzt konnte die Frau aber nicht mehr retten. Todesursache war vermutlich Unterkühlung. Scheintod meist nach Vergiftungen und Unterkühlungen In der Regel sind nach Huckenbecks Angaben Scheintote meist Menschen, die Alkohol- oder Medikamentenvergiftungen beziehungsweise Unterkühlungen davon getragen haben. Auch ein Schockzustand kann zu diesem Phänomen führen. Mit intensiven medizinischen Maßnahmen könnten die Scheintoten aber wieder „zum Leben erweckt“ werden, sagte der Mediziner. Auch wenn sicherlich nur sehr wenige Menschen in einen scheintoten Zustand kommen, für Huckenbeck ist die Angst davor verständlich. „Es ist durchaus denkbar, und niemand mag die Vorstellung, lebendig eingemauert zu werden“, unterstrich der Mediziner. Wolfgang Huckenbeck arbeitet an der rechtsmedizinischen Fakultät der Universität Düsseldorf. https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/medizin-rechtsmediziner-jaehrlich-werden-mindestens-zehn-scheintote-beerdigt-158733.html